66 – Crip Awakening, Sichtbarkeit und Selbstfürsorge – Interview mit Kübra Sekin

Mit Kübra Sekin habe ich über ihren Weg als Schauspielerin und Moderatorin gesprochen. Höre hier direkt in die neue Folge rein.

Es geht auch darum, wie sie Social Media nutzt, um sichtbarer zu sein und für ihren Aktivismus. Wir sprechen darüber, wie sie dazu gekommen ist, Schauspielerin zu werden und wie ihr eigenes Crip Awakening war. Auch sprechen wir darüber, wie wir als behinderte Personen mehr für unsere eigene Selbstfürsorge tun können und wie auch die Community dabei unterstützen kann. 

Hier kannst du dir die Folge direkt anhören:

Über diese Themen sprechen wir in dieser Folge 

  • Über Kübra Sekin
  • Ihr Weg als Schauspielerin und Moderatorin
  • Wie sie Social Media für ihre künstlerische und aktivistische Arbeit nutzt
  • Achtsamkeit und Selbstfürsorge
  • Mit den eigenen Privilegien beschäftigen
  • Der Atem in der Arbeit als Schauspielerin
  • Freude als behinderte Person
  • Crip Awakening
  • Literatur-Tipps zum Thema Behinderung
  • Kübras eigene Selbstfürsorge-Praxis

Transkript dieses Beitrags:

Einleitung in die Folge

Mechthild [00:00:20]:

Hallo, herzlich willkommen zu Inklusive Achtsamkeit-  der Podcast, Folge 66. Diesmal habe ich mit Kübra Sekin gesprochen. Ich habe mich total gefreut, dass sie Zeit hatte und dass sie auch so viel in dieser Folge geteilt hat. Und wir haben uns auch ausgetauscht. Also es ist teilweise auch mehr wie ein Gespräch geworden, wo sie mir auch Fragen gestellt hat und wo wir uns über die Community ausgetauscht haben und über unseren Weg als behinderte Personen. 

Eine schöne Folge 

Es ist einfach eine schöne Folge wieder geworden, wie so oft in diesem Podcast. Ich freue mich immer über die Gespräche, eigentlich immer. Warum sage ich oft? Also eigentlich ist es ja immer ein schönes Gespräch und schönes Interview und immer wieder neue Impulse, vielleicht auch für dich, die du mitnehmen kannst und vielleicht was auch Neues für dich mitnehmen kannst oder auch nochmal anders vielleicht auf Themen gucken kannst und auch verschiedene Perspektiven immer wieder auch hier geteilt werden. 

Das finde ich immer total schön und wichtig. Ich rede jetzt nicht mehr viel länger. Ich wünsche dir viel Spaß beim Hören der Folge, bei dem Interview mit Kübra und dann bis in der nächsten Folge. 

Vorstellung Kübra Sekin

Mechthild [00:01:15]:

Hallo liebe Kübra, ich freue mich, dass du jetzt im Podcast zu Gast bist. Ich bin ein bisschen aufgeregt, aber ich freue mich auch, dass du heute da bist, dir die Zeit für mich genommen hast und für die Zuhörerin. Viele kennen dich wahrscheinlich schon, aber vielleicht kannst du dich selber noch mal ein bisschen vorstellen, was du über dich teilen möchtest.

Kübra Sekin [00:01:53]:

Hallo liebe Mechthild, danke für die Einladung. Ich freue mich voll, gleich mit dir zu quatschen. Für die, die mich noch nicht kennen. Ich bin Kübra Sekin, ich bin freischaffende Künstlerin. Ich mache seit über zehn Jahren Schauspiel und Moderation und bin deutschlandweit unterwegs. Auf Instagram beschäftige ich mich viel mit der Lebensrealität von behinderten, queeren und migrantischen Personen, weil ich all diese Perspektiven vertrete und sie alle sichtbar machen will.

Künstlerische und aktivistische Arbeit

Mechthild [00:02:28]:

Ja cool. Auf Instagram folge ich dir auch schon sehr lange und ich bewundere immer auch deine Arbeit, die sowohl künstlerisch ist als auch aktivistisch und dass du das so miteinander verbindest und auch immer laut bist für die Community.

Kübra Sekin [00:02:42]:

Danke, ist auch nicht immer ganz leicht.

Mechthild [00:02:47]:

Ja, das glaube ich. Und was hilft dir dabei, so dranzubleiben? An denen, so die Motivation für dich weiter zu finden?

Instagram hilft beim sichtbar sein 

Kübra Sekin [00:02:54]:

Naja, ich will das nicht komplett romantisieren. Meine Social-Media-Arbeit ist auf jeden Fall auch nicht ganz eigennützig, weil ich muss halt als freischaffende Schauspielerin muss ich dafür sorgen, dass ich irgendwie gesehen werde und irgendwie eine Aufmerksamkeit erzeuge, damit mich Produktionen sehen, damit mich Caster*innen sehen. 

Sprachrohr für Wut

Das motiviert mich zum einen und zum anderen motiviert mich ja eigentlich traurigerweise so die ganze Scheiße, die ich erlebe, die ganze Diskriminierung, die ich im Alltag erlebe. Es ist auch irgendwo so ein bisschen mein Sprachrohr, wo ich dann meine Wut herauslassen kann oder wo ich meine Verletzungen sichtbar machen kann. Ja, das ist irgendwie auch eine Motivation, traurigerweise. Natürlich wünschte ich mir, dass es nicht so sein müsste, aber es hilft mir auch irgendwo, das irgendwo abzuladen, was ich erlebe.

Für den Kontakt mit anderen behinderten Menschen

Mechthild [00:04:01]:

Ja, und dann auch wahrscheinlich in den Austausch zu kommen mit anderen.

Kübra Sekin [00:04:05]:

Natürlich, ja absolut. Social Media ist für mich das wichtigste Netz, Kontakt mit behinderten Menschen zum Beispiel, zu kommen und zu bleiben, weil wir irgendwie so ganz verteilt sind. Also meine behinderten Freundinnen sind leider nicht allein in Köln, sondern so überall verteilt. Und ja, es ist irgendwie ein gutes Tool, sich zu verletzen und in Kontakt zu bleiben.

Mechthild [00:04:36]:

Ja, finde ich auch, weil dadurch macht es einfach einfacher, andere zu sehen und auch zu sehen, dass wir nicht allein sind mit diesen Verletzungen oder Diskriminierungen, die wir erleben. 

Kübra:

Voll. 

Mechthild:

Ja, ich teile auch manchmal so Sachen, auch wenn ich es nicht immer mache, weil ich auch merke, dass es mich selber anstrengt und ich ja dann auch versuche, wieder vielleicht Wege zu zeigen, wie wir damit gut umgehen können. 

Kübra:

Total. Gut. 

Ihr Weg zur Schauspielerei und Moderation

Mechthild:

Und wie bist du zu der Schauspielerei und Moderation gekommen? War das da der Weg?

Kübra Sekin [00:05:13]:

Also es war so, dass ich schon in der Schulzeit in der Theater-AG war und das sehr, sehr gerne gemacht habe und für mich entdeckt habe, dass es mir total viel gibt, auf einer Bühne zu stehen, eine Geschichte zu erzählen, in eine Rolle einzutauchen. Natürlich war das nur so ein bisschen daran schnuppern.

Es hat als Hobby angefangen

Kübra Sekin [00:05:36]:

Ich war ja da noch irgendwie kein Profi oder sowas. Es war ja so ein Hobby, ein Herantasten. Und dann habe ich mich halt gefragt, ob ich vielleicht mit diesem Beruf auch irgendwann mein Geld verdienen kann, meinen Lebensunterhalt verdienen könnte. Und da wurde ich leider nicht so sehr motiviert, sondern eher demotiviert, weil mir von seitens eines Lehrers gesagt wurde, dass wahrscheinlich meine Chancen da nicht so gut stehen, womit er auch natürlich recht hatte. 

Ihr Lehrer hat sie demotiviert

Aber ich hätte mir halt gewünscht, dass er sich irgendwie ein bisschen mehr damit auseinandersetzt, als mir einfach direkt die Tür zu schließen. Ich hätte mir zum Beispiel gewünscht, dass irgendwie geschaut wird, wo gibt es eine Schauspielschule, die eventuell barrierefrei wäre oder einfach nach Möglichkeiten suchen. Das hätte mir wahrscheinlich auch schon geholfen. Na ja, das hat mich dann sehr demotiviert, dass er meinte, wie viele behinderte SchauspielerInnen kennst du denn? Deswegen bin ich ja den vorgesehenen Weg einer behinderten Person in Deutschland gegangen.

Nach der Schule in ein Berufsbildungswerk

Kübra Sekin [00:06:50]:

Das ist nach einer Förderschule der Besuch in einem Berufsbildungswerk. Dort habe ich dann erstmal eine kaufmännische Ausbildung gemacht, dann habe ich mein Fachabitur nachgeholt. Dann habe ich irgendwie mitbekommen, dass ich vielleicht so ein bisschen in den pädagogischen, psychologischen Bereich gehen könnte. 

Habe das dann anvisiert und für das Studium musste man ein dreimonatiges Vorpraktikum machen. Und in dieser Praktikumsstelle habe ich Katrin Gabler kennengelernt. Und Katrin Gabler war eine behinderte Psychologin, die im Beratungszentrum für behinderte Studierende in Bochum gearbeitet hat. 

Erster Schritt auf die Bühne

Katrin hat auch als Performerin gearbeitet, zu der Zeit und hat mir so ein bisschen davon erzählt. Ja, da war ich ganz angetan davon, dass es tatsächlich die Möglichkeit gibt, mit seiner Behinderung auf der Bühne zu stehen und künstlerisch zu arbeiten.

Kübra Sekin [00:07:55]:

Und Katrin hat mich da so ein bisschen reingeschleust damals. Sie hat das richtig schlau angestellt. Sie meinte nämlich, Kübra, ich kann da leider nicht, kannst du für mich einspringen. Ja, und dann hat sie sich aus der künstlerischen Arbeit rausgezogen und hat mich quasi als Ersatz für sie angeboten. Das war mein erster Schritt auf die Bühne oder der zweite dann halt nach der Schule.

Danach ging es weiter in einem Perfomance-Kollektiv

Mechthild [00:08:29]:

Cool und von da ging es dann immer weiter mit den Nächsten?

Kübra Sekin [00:08:32]:

Von da ging es dann immer weiter, genau. Ich war dann erstmal in diesem Performance-Kollektiv und bin dann irgendwie knapp nach sieben Jahren oder so, habe ich gesagt, ich will meinen eigenen künstlerischen Weg auch finden und bin dann genau alleine unterwegs gewesen an unterschiedlichen Theatern und dann durfte ich auch irgendwann Kameraerfahrung sammeln.

Teil eines inklusiven Moderations-Duos

Zur Moderation bin ich auch in der Zeit irgendwann gekommen, weil ein inklusives Moderation-Duo gesucht wurde bei der Aktion Mensch damals. Da wurde mir gesagt, du musst dich da unbedingt bewerben. Für mich war das so ein spannendes Experiment irgendwie zu der Zeit, weil ich einfach mal wissen wollte, wie so ein Casting abläuft. So ein bisschen hinter die Kulissen schauen und so. Ich war so voll gespannt darauf. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass das tatsächlich dann irgendwann mein Beruf wird.

Mechthild [00:09:36]:

Ja cool und auch schön, dass du so eine Person hattest, die dich so unterstützt hat und dich da reingebracht hat.

Kübra Sekin [00:09:42]:

Ja, total. Das war eine totale Schlüsselperson für mich.

Verschiedene Lebensrealitäten auf Social Media sehen

Mechthild [00:09:48]:

Weil eigentlich ist ja auch genau das, was jetzt auch durch Social Media passiert, dass wir so viele die Möglichkeit haben, so viele verschiedene Lebensrealitäten und Lebenswege zu sehen, dass vielleicht jüngere Leute auch schon wieder früher merken, was es für Möglichkeiten gibt. Ich werde auch diese eine Person irgendwo in der Beratung treffen müssen, vorher schon sehen zu können, was wir alles machen können und was es für Möglichkeiten gibt.

Nicht mehr von Glück und Zufällen abhängig sein

Kübra Sekin [00:10:13]:

Ja, ich hoffe einfach, dass es nicht mehr so von Glück und Zufall abhängig ist, dass beherrschte Menschen in die künstlerische Arbeit kommen, sondern dass Strukturen, die wir benötigen, endlich entstehen. Davon sind wir immer noch sehr weit weg.

Mechthild [00:10:32]:

Und es gibt ja eigentlich schon viel mehr als in der Zeit, wo wir jünger waren.

Druck durch Social Media

Kübra Sekin [00:10:38]:

Ja, zumindest über Social Media ist es jetzt viel einfacher, sich Informationen zu beschaffen, Kontakt zu irgendwelchen wichtigen Menschen zu bekommen, irgendwie aufmerksam auf sich zu machen. Gleichzeitig kommt natürlich aber auch so ein Druck mit einher, muss ich auch schon sagen. Ich glaube, ich habe mir das nicht ausgesucht, dass ich mit meiner Arbeit auf Social Media Aufmerksamkeit generieren muss, damit ich in meinem schauspielerischen Beruf genug Jobs bekomme. 

Das habe ich mir nicht ausgesucht. Es ist trotzdem ein Privileg, dass ich das jetzt irgendwie so kann. Aber natürlich hätte ich mir gewünscht, irgendwie entdeckt zu werden auf der Schauspielschule oder zu irgendwelchen wichtigen Castings eingeladen zu werden, weil man in der Branche weiß, wie gut ich spiele oder so. Weißt du, wie ich meine? Das wäre auf jeden Fall meine erste Wahl gewesen.

Nicht alle Jobs nur über Social Media

Mechthild [00:11:45]:

Und jetzt passiert das vor allem durch Social Media oder passiert das auch schon immer öfter, dass du so angesprochen wirst (für neue Aufträge)?

Kübra Sekin [00:11:51]:

Ich kann das ehrlich gesagt auch gar nicht so differenzieren voneinander. Ich denke die ganze Zeit, ich muss auf Social Media aktiv sein, ich muss immer mehr Follower generieren, damit ich gesehen werde. Wobei es aber auch total oft vorkommt, dass Produktionen gar nichts von meiner Social Media Arbeit wissen. Aber trotzdem erhoffe ich mir natürlich, dass da zum Beispiel Moderationsjobs herkommen. 

Und das ist auch glaube ich tatsächlich so, dass ich meine Moderationsjobs eher darüber generiere, dass ich eine Sichtbarkeit habe und erzähle, dass ich Moderatorin bin. Und irgendwie über drei Ecken erzählt man sich dann, das irgendwie weiter, teilt mein Profil und dann kommt man dann vielleicht auf mich. Bei Schauspieljobs habe ich das Gefühl, dass es immer mehr ist, weil man meine Spielerfahrung auch irgendwo gesehen hat oder so gesehen hat.

Auftritt bei der Anstalt 

Mechthild [00:12:53]:

Du warst jetzt auch schon in einigen Produktionen auch und auch bei der Anstalt und so. Da weiß ich auf jeden Fall, dass auch Leute, die nicht in unserer Bubble sind, dich auch schon gesehen haben und dich kennen.

Kübra Sekin [00:13:06]:

Ja, das ist wirklich krass, wie viel ich nach, ich bin jetzt dreimal glaube ich insgesamt bei der Anstalt gewesen. Ich werde so oft angesprochen auf die Anstalt. Das ist unglaublich. Und wirklich nicht aus unserer Bubble. Also das sind so, weiß ich nicht, irgendwelche Renates, die sonst überhaupt nichts mit dem Thema Behinderung zu tun haben, die mich dann irgendwo beim Mittagessen in der Sonne ansprechen. Was total nett ist. Das ist irgendwie süß und manchmal nervig.

Nicht zu viel Andrang

Mechthild [00:13:44]:

Je nachdem, ob du gerade deine Ruhe haben möchtest.

Kübra Sekin [00:13:50]:

Ja, also soweit bin ich jetzt noch nicht, dass ich so sehr bedrängt werde.

Mechthild [00:13:56]:

Das kommt vielleicht auch noch in der Phase.

Kübra Sekin [00:13:59]:

Ach bitte nicht, Das wäre nicht so cool.

Mechthild [00:14:01]:

Das wäre ein bisschen zu viel, aber mehr Aufträge und die dann auch einfacher kommen.

Social Media von inklusive Achtsamkeit

Kübra Sekin [00:14:05]:

Ja, die nehme ich. Mehr Aufträge nehme ich. Wie nutzt du eigentlich dein Social Media Auftreten? Ist das für dich auch beruflich relevant?

Mechthild [00:14:16]:

Ja, total. Ich habe ja den inklusive Achtsamkeit Account und da habe ich ja gerade so 1900 Follower, was jetzt auch nicht so super viel ist.

Kübra Sekin [00:14:26]:

Aber wenn man sich überlegt. Knapp von 2000.

Anfragen für Workshops durch Social Media

Mechthild [00:14:27]:

Ja, genau. Es ist nicht mehr weit weg von 2000, was immer so ein bisschen mein Ziel war, aber was sich auch durch Instagram und dadurch, dass die Inhalte ja auch nicht so viel quasi unsere Themen immer ein bisschen eingeschränkt werden, oder man immer das Gefühl hat zumindest. Aber ja, ich nutze es auf jeden Fall auch, Sichtbarkeit zu schaffen für die Themen, die ich mich mit beschäftige und auch Werbung zu machen für den Podcast und meine Angebote. Und ich habe auf jeden Fall auch das Gefühl, dass durch Beiträge, die ich gemacht habe, ich auch schon Anfragen bekommen habe, dass Leute dadurch auf mich aufmerksam geworden sind, dass ich diese Themen vertrete und auch Workshops dazu anbiete und dann dafür Workshops angefragt haben.

Es ist wichtig auf Social Media präsent zu sein

Mechthild [00:15:14]:

Das ist auf jeden Fall auch wichtig für mich, auch für Social Media präsent zu sein. Und natürlich auch, was ich auch wichtig finde, ist der Austausch mit anderen Menschen, zu sehen, okay, wir können uns über diese Themen auch austauschen. Gerade auch diese Themen der Selbstfürsorge sind halt für uns total wichtig, aber viele Menschen mit Behinderung wissen vielleicht gar nicht, dass das wichtig ist und wie das auch für sie vielleicht möglich ist. Und da auch immer wieder Impulse zu teilen und in den Austausch zu kommen mit Leuten, dass Leute sich das dann auch so zu Herz nehmen und was für sich selber tun, das freut mich dann auch immer, was dadurch passiert, durch das, was ich teile.

Schreckt zurück vor den Worten Achtsamkeit und Selbstliebe

Kübra Sekin [00:15:56]:

Ja, voll gut. Ich bin so, sobald ich irgendwie das Wort Achtsamkeit oder Selbstliebe höre, erschrecke ich immer zurück, ehrlich gesagt. Weil ich irgendwie zu viel gesehen habe, dass das weiße, nicht behinderte, sehr privilegierte Menschen daraus Profit schlagen, ohne den Leuten die Bühne zu geben, die es überhaupt so ins Leben gerufen haben. Yoga zum Beispiel, es kommt ja woher aus welchem Land kommt Yoga eigentlich genau?

Mechthild [00:16:34]:

Aus Indien.

Yoga ist verwestlicht und verfitnest

Kübra Sekin [00:16:36]:

Es ist so verwestlicht.

Mechthild [00:16:40]:

Und auch verfitnest, weil es ist eigentlich, jetzt denkt man immer nur an Fitness, wenn man Yoga hört, aber eigentlich hat es nicht viel mit Fitness zu tun. Es hat körperliche Aspekte, aber Yoga ist viel mehr als nur die Körperübung, die Asanas. Es gibt noch viele andere und es ist eigentlich eher eine Art Lebensphilosophie und Lebensweg.

Begriffe, die vermarktet werden

Kübra Sekin [00:17:01]:

Ja, und ich bin dann immer so, ah ne, damit möchte ich bitte gar nichts zu tun haben, weil das ist eine kulturelle Aneignung. Natürlich gibt es auch Personen, die dem bestimmt gerecht werden. Aber deswegen habe ich ehrlicherweise nicht so viel Berührung mit dem Thema Achtsamkeit und Selbstfürsorge, Selbstliebe. Das sind ja alles so Begriffe, die so heftig vermarktet wurden, all den letzten Jahren, die irgendwie so kapitalisiert wurden.

Mechthild [00:17:35]:

Das stimmt, ja.

Kübra Sekin [00:17:36]:

Wo ich mir denke, hört doch auf damit irgendwie Profi zu schlagen.

Angebote zugänglicher machen 

Mechthild [00:17:43]:

Also ich kann verstehen, die Leute müssen natürlich von irgendwas leben und das ist ihre Arbeit teilweise, ist ja auch dann wichtig. Aber andererseits muss es vielleicht auch Wege geben, es zugänglich zu machen. Und das versuche ich zum Beispiel auch, dass ich oft mit Organisationen zum Beispiel arbeite, anstatt selber direkt Angebote anzubieten, sondern mit Vereinen oder anderen Organisationen zusammenzuarbeiten, die dann wieder Fördergelder beantragen und es dadurch halt auch kostenlos wird für die Teilnehmenden, weil das dann auch wieder eine Zugänglichkeit schafft. Natürlich muss ich auch Wege finden, davon leben zu können, von dem, was ich mache.

Differenziert sein

Kübra Sekin [00:18:24]:

Absolut. Ich finde, man muss da auch differenzieren. Ich finde nicht, dass man deine Arbeit genauso beurteilen kann, wie die Arbeit von einer, ich weiß nicht, nicht behinderten weißen Person, die hunderte von Follower in jetzt gerade generiert, weil sie ihr 20. Ihre 20. Yoga Session irgendwie vermarktet und damit ein Imperium aufgebaut hat. Also weißt du, wie ich meine? Man muss es differenziert sehen. Man muss auch schauen, welche Person hat welche Privilegien und welche sollten dann auch abgegeben werden bzw. genutzt werden für die, denen das eigentlich alles gehört.

Mit eigenen Privilegien beschäftigen

Mechthild [00:19:12]:

Das stimmt, ja ich versuche mich auch sehr viel mit Privilegien und so zu beschäftigen und auch in der Yoga-Ausbildung, die ich damals gemacht habe, habe ich extra darauf geachtet, dass es auch viel darum geht, woher kommt Yoga, was sind die Ursprünge von Yoga und auch die Privilegien und so und auch jetzt zum Beispiel in dem Podcast auch immer wieder an verschiedenen Leuten, auch mit verschiedenen Leuten zu reden und da auch das Wissen zu teilen und wieder zugänglicher zu machen.

Leistungsfähigkeit in der Community von behinderten Menschen

Kübra Sekin [00:19:40]:

Ich finde deine Arbeit unglaublich wichtig, weil die Behinderten-Community sowieso unter so einem heftigen Druck steht, leistungsfähig sein zu müssen, irgendwie in dieser Gesellschaft akzeptiert zu werden, irgendwie Anerkennung zu bekommen. Ja, und diese Personen, die brauchen genau das, was du tust, und die brauchen genau diesen Zugang.

Mechthild [00:20:05]:

Danke, Kübra. Ja, es tut gut, das manchmal zu hören. 

Umgang mit Stress und schwierigen Gefühlen

Und was hast du dann aber irgendwie Wege für dich gefunden, mit vielleicht Stress in deinem Alltag umzugehen? Oder zum Thema Gefühle und Umgang mit ihnen?

Kübra Sekin [00:20:23]:

Also das ist ein Thema für sich und ausbaubar. Also seit fünf Jahren in einer Verhaltenstherapie.

Mechthild [00:20:43]:

Okay.

Kübra Sekin [00:20:44]:

Das Gefühl, dass ich immer noch nicht den Dreh raus habe. Natürlich habe ich meine Tools und so an der Hand und manchmal auch funktionierende Mechanismen erarbeitet, aber die meiste Zeit ehrlich gesagt habe ich immer noch das Gefühl, dass ich einfach überfordert bin.

Mechthild [00:21:06]:

Aber es ist ja auch ein Weg, auf den wir uns begeben und immer wieder neu.

Momente der Entspannung finden 

Kübra Sekin [00:21:11]:

Aber was ich vielleicht so sagen kann, mich entspannt ist, total Musik zu hören, mich entspannt ist, mit lieben Menschen mich zu umgeben, mich entspannt ist, einfach im Bett zu liegen und, ich weiß nicht, stundenlang am Handy zu sein. Das ist Tatsache, das entspannt mich auch.

Mechthild [00:21:32]:

Ja, mich manchmal auch, ja.

Kübra Sekin [00:21:34]:

Mich entspannt es, mal auf die Matte zu gehen und mich zu stretchen. Also, ja.

Sie ist besser darin geworden

Mechthild [00:21:41]:

Machst du eigentlich schon viel von dem?

Kübra Sekin [00:21:44]:

Ja, ich mache es aber nicht.

Mechthild [00:21:47]:

Du machst es zu selten, okay.

Kübra Sekin [00:21:50]:

Ich bin schon besser geworden, das muss man auch sagen, aber immer noch nicht da, wo man sagen würde, dass ich eine gelassene, ausgewogene Person bin.

Sie weiß, was gut für sie ist

Mechthild [00:22:02]:

Das ist ja zumindest gut, dass du weißt, was es ist, was dir guttut und dann kannst du es ja immer öfter auch nutzen.

Kübra Sekin [00:22:11]:

Ja, voll.

Der Atem in ihrer Arbeit

Mechthild [00:22:12]:

Und eben, als du das mit der Arbeit gesagt hast, mir irgendwann, das eigentlich ja Schauspielern, auch der Atem ja unglaublich wichtig ist. Oder? Wie ist das für dich, wenn man so tief atmet oder überhaupt auf den Atem achtet?

Kübra Sekin [00:22:28]:

Auf jeden Fall, das ist auch sehr wichtig. Ich bin ja wirklich auf keiner Schule gewesen, ich habe keine Kurse besucht oder keine Coachings genommen. Also bis jetzt wirklich noch nie etwas davon, weil ich mir das auch nie leisten konnte, ehrlich gesagt. 

Schwierigkeiten bei technischer Arbeit 

Also Coachings kosten wirklich viel Geld teilweise. Und ja, ich habe immer gedacht, ich vertraue dem, was ich da tue. Und bleibe irgendwie bisher auch dabei. Deswegen habe ich es auch ein bisschen schwer mit so technischer Arbeit. Ich weiß, wie ich meine Stimme zum Beispiel vor einem Theaterstück ein bisschen aufwärme.

Kübra Sekin [00:23:13]:

Ich weiß auch, dass ich ein bisschen tiefer atmen muss und so weiter und so fort. Aber ich würde nicht sagen, dass ich technisch so weit bin, dass ich das on point hinkriege. Ich kämpfe mich da so ein bisschen durch, intuitiv. 

Mechthild [00:23:32]:

Intuitiv. Das klappt ja gut. 

Kübra Sekin [00:23:37]:

Bisher schon. 

Mechthild [00:23:41]:

Wenn ich das auch von meiner Leihen-Perspektive sagen kann.

Kübra:

Ja. 

Freude als behinderte Person

Mechthild: 

Genau, ja, also ich habe noch ein Thema. Ich habe mir noch ein Thema aufgeschrieben, Freude als behinderte Person, weil du da ja auch oft darüber teilst, auch auf Social Media. Das finde ich auch immer ein wichtiges Thema, weil das auch oft aberkannt wird, dass wir Freude haben können.

Kübra Sekin [00:24:07]:

Ja, auf jeden Fall. Wann empfindest du viel Freude?

Wenn behinderte Personen coole Sachen machen 

Mechthild [00:24:13]:

Ja, so eigentlich auch in Situationen, wo ich mit meinen behinderten Freunden zusammen bin und sehe, dass wir irgendwie coole Sachen machen. Oder auch wenn ich sehe, was wir alle an behinderten Personen coole Sachen machen. Selbst wenn ich jemanden, den ich nur auf Social Media folge, der coole ein cooles Projekt hat oder so dann freue ich mich schon darüber und das wieder ein bisschen mehr Sichtbarkeit für unsere Sache. Ja, auch zu sehen, wie viel wir alle erreicht haben, auch in den letzten Jahren durch unsere Themen, dass wir sichtbar sind.

Gefühl vom Hamsterrad

Kübra Sekin [00:24:51]:

Ja, da kann ich mich nur einschließen. Obwohl ich manchmal auch glaube oder das Gefühl habe, dass wir wie in so einem Hamsterrad sind.

Mechthild [00:25:00]:

Das stimmt. 

Kübra Sekin [00:25:01]:

Und nicht so richtig weiterkommen. Weil ja, auf Social Media haben wir auf jeden Fall mehr Sichtbarkeit als vor fünf Jahren oder was. Allein in Deutschland haben wir viel mehr behinderte Content Creatorinnen. 

An der Struktur ändert sich nichts

Aber an den Strukturen ändert sich immer noch nichts, an der Rechtslage ändert sich immer noch nichts

Mechthild [00:25:24]:

Und es wird vielleicht eher schwieriger in den nächsten Jahren und wir müssen weiter dranbleiben.

Kübra Sekin [00:25:29]:

Ja, absolut. Und vielleicht kannst du da auch mal deinen Gedanken teilen, was du glaubst, wie wir einen langen Atem noch weiter ausüben können.

Zusammensein und sich gegenseitig unterstützen

Mechthild [00:25:41]:

Ja, ich glaube, dieses Zusammensein und zu sehen, dass wir nicht alleine sind, finde ich wichtig. Und auch immer wieder die Möglichkeit haben, okay, wenn eine von uns sich vielleicht zurückziehen muss, weil es gerade zu viel ist, dass dann wieder andere da sind und dass wir uns dann auch vielleicht nicht schlecht fühlen, wenn wir gerade nicht so viel Energie haben. Zum Beispiel vor fünf Jahren, als dann auch Corona war, da war ich selber quasi in der Erschöpfung und konnte nicht so viel machen. 

Aber ich habe gesehen, wie viele andere Leute gemacht haben und dann auch zu akzeptieren, okay, gerade ist eine Zeit, wo ich selber auf mich gucken muss und jetzt gibt es wieder Zeiten, wo ich auch mehr vielleicht im Außen sein kann und andere vielleicht eher erschöpft sind. Aber es gibt natürlich auch so einen Druck, weil man immer denkt, die anderen machen so viel und ich mache nicht so viel, aber das auch zu akzeptieren, dass wir eben viele sind und dass ich nicht alleine bin und dadurch auch mal wieder dann im jeder mal was machen kann und wir uns gegenseitig unterstützen können, auch im Austausch miteinander sind und auch zu akzeptieren, dass das eben ein langer Weg ist und dass wir auch diese Pausen brauchen und diese Selbstfürsorge-Momente, dann auch wieder Kraft zu haben, lange durchzuhalten.

Politisiert als behinderte Person

Kübra Sekin [00:26:56]:

Gab es bei dir eigentlich so in deinem Lebenslauf so einen Moment, wo du dich als behinderte Person so politisiert hast. Dieses Bewusstsein von ach krass, ich werde diskriminiert, weil ich behindert bin. Das kann ich so nicht stehen lassen, ich muss das irgendwie, ich muss das sichtbar machen oder so. Gab es so einen Moment bei dir?

Nicht den einen Moment

Mechthild [00:27:24]:

Ob das jetzt so ein Moment war, weiß ich nicht. Auf jeden Fall seit ich mir auch für inklusive Achtsamkeit sichtbarer bin auf Social Media, war das auf jeden Fall so, wo ich auch gemerkt habe, okay, ich möchte mich auch zu dem Thema auf Social Media was teilen, weil mir das wichtig ist. Aber sonst, also es gab so verschiedene Momente in meinem Leben, wo ich gemerkt habe, okay, das, was ich erlebe, erlebt nicht jede Person. 

Viele negative Erlebnisse, die ich so nicht einordnen konnte

Ich hatte viele, weil ich auch meine Behinderung seit der Geburt habe, das heißt ich habe schon jetzt fast 35 Jahre Erlebnisse gehabt, die diskriminierend sind. In der Schule, wo ich in der Schule war, die nicht barrierefrei war, wo ich dann auch viel laufen musste oder so, oder auch im Studium, wo ich, ich habe ja in den Niederlanden dann studiert und habe dann erst gemerkt, okay, vieles von dem, was ich in Deutschland erlebt habe, war einfach nur, weil es in Deutschland nicht so gute Strukturen gibt wie in anderen Ländern. 

Und habe dann erst verstanden, was das bedeutet und hatte aber da auch noch keine Worte, nicht zum Beispiel das Wort Abelismus, was wir ja mittlerweile haben, was ich auch erst vor fünf Jahren so kennengelernt habe über Social Media, was ja viel beschreibt von dem, was ich mein ganzes Leben so erlebt habe. Und dann erst gemerkt habe, okay, vieles von dem, was ich erlebt habe, war abelistisch.

Crip Awakening

Kübra Sekin [00:28:49]:

Mir ging es tatsächlich ähnlich, außer dass ich nicht im Ausland studiert habe, sondern ich hatte so mein, ich weiß nicht, ich glaube, das Wort gibt es nicht, Crip Awakening. Es gibt ja das Wort Queer Awakening.

Mechthild [00:29:03]:

Okay, so als behinderte Person, die bewusst darüber ist, dass du behindert bist.

Kübra Sekin [00:29:10]:

Genau, weil ich war eine behinderte Person, die immer gedacht hat, ach, ich bin gar nicht so behindert. Ich halte noch voll locker mit der nicht behinderten Gesellschaft mit. Ich bin richtig auf Leistung und überall so wenig behindert wie möglich sein. 

Politisiert durch den Kontakt mit anderen behinderten Menschen

Und ja, dann habe ich in meiner künstlerischen Arbeit ja auch mit anderen oder mit einer anderen behinderten Performerin gearbeitet und irgendwie durch den Kontakt zu anderen behinderten Menschen hat mich dann irgendwann politisiert. Irgendwann so, ich kann dir auch keinen Zeitpunkt nennen, aber es war auf jeden Fall ein Prozess, wo ich jetzt so bin, ich bin so voll verständnisvoll gegenüber behinderten Menschen, die davon von alledem nichts wissen wollen, in ihrem Film sind und das irgendwie durchziehen wollen. Ich kann das irgendwie auch nachvollziehen, aber es ist halt ein super krasses Privileg.

Nicht jede behinderte Person sollte sich im Beruf mit dem Thema Inklusion beschäftigen

Mechthild [00:30:24]:

Ja, finde ich auch. Also einerseits arbeite ich auch dafür, dass Menschen diese Möglichkeit haben. Zum Beispiel arbeite ich auch bei Inklupreneur, wo wir auch Unternehmen beraten, mehr Menschen mit Behinderung einzustellen. Ich habe selber nach dem Studium auch in einem Unternehmen gearbeitet, das nichts mit dem Thema Behinderung zu tun hatte und wollte das auch gerne. Ich möchte auch, dass Menschen mit Behinderung die Möglichkeit haben, sich nicht mit dem Thema beschäftigen zu wissen. Das bedeutet ja eben auch, dass es eine Rampe gibt oder ein Aufzug der einem hilft irgendwie die Arbeit zu machen oder halt zum Arbeitsplatz zu kommen und dann auch am Arbeitsplatz barrierearm zu sein oder auch sich selbst in der Arbeit, die quasi andere Themen behandelt als Thema Behinderung, auch sich so seine Freiheiten einzugestehen. 

Aber das war bei mir dann doch immer auch mit Anstrengung und Kraft verbunden. Irgendwann habe ich gemerkt, ich möchte mich doch mehr mit dem Thema Inklusion und so auch in meinem Arbeitsleben selber beschäftigen.

Ein Weg zurück nach dem Crip Awakening?

Kübra Sekin [00:31:26]:

Glaubst du, es ist möglich, wenn man einmal dieses Crip Awakening hatte, so die ganzen Mechanismen erkannt hat, die Diskriminierungsmechanismen, den Alltags-Ableismus, wenn man das alles erkannt hat, glaubst du, es kann dann auch einen Weg zurück geben?

Mechthild [00:31:45]:

Ich glaube nicht, weil dann müsste man sich wieder selber verleugnen. Also dann verleugnet man sich vielleicht selber und sein Teil seiner Identität. Weil ich finde, es ist ja schon auch ein wichtiger Teil unserer Identität. Deswegen ich auch mal Leute nicht verstehe, die sagen, die Bindung ist nicht so wichtig vielleicht, aber es ist ein Teil meiner Identität und ich möchte es nicht abgesprochen bekommen. Das ist ein wichtiger Teil von dem Menschen, der ich wäre, weil ich kann mir auch nicht vorstellen, wie die Mechthild ohne Behinderung wäre. Manchmal versuche ich mir das vorzustellen, aber es geht irgendwie gar nicht.

Lieber alle Gebäude barrierefrei, als wir ohne Behinderung

Kübra Sekin [00:32:23]:

Nee, geht bei mir auch nicht. Muss auch nicht. Ich will mir lieber so vorstellen, wie alle Gebäude barrierefrei werden. Die UN-BRK komplett umgesetzt wird.

Mechthild [00:32:44]:

Ja, und wie immer die Hilfsmittel. Ich weiß nicht, ob wir das neue Leben oder die Hilfsmittel bekommen, die wir brauchen, unser Leben gut zu leben, ohne dafür, sehen wir, zum Arzt zu rennen und Anträge zu schreiben.

Es gibt keine Pausen von diskriminierenden Strukturen

Kübra Sekin [00:33:00]:

Das wirklich auch total schwierig, diese Pausen einzulegen, von denen du vorhin gesprochen hast. Weil so richtig Pause, wo hast du Pause vor diskriminierenden Strukturen? Wo bist du in Sicherheit?

Mechthild [00:33:18]:

Vielleicht in deinem eigenen Zuhause, wenn du Glück hast, wenn du Glück hast, dass du überhaupt eine barrierefreie Wohnung, die auch noch bezahlbar ist, gefunden hast, an einem Ort, wo du gerne leben möchtest und nicht irgendwo musst, weil das eben der Ort ist, der jetzt gerade barrierefrei ist oder in der Nähe von deiner Familie, weil sie dich noch unterstützen kann oder so. Ja. Das ist ja auch so ein wichtiges Thema, also so diese Freiheit auch zu haben, das machen zu können, was wir wollen.

Kübra Sekin [00:33:47]:

Auf jeden Fall.

In den Austausch mit anderen Menschen kommen

Mechthild [00:33:49]:

Oder auch in so, ja, Communitys, also auch in Netzwerken jetzt so, wie, dass wir ja auch anfangen, uns mehr auszutauschen und mehr in Kontakt zu kommen. Wir haben vorher darüber geredet, dass wir ja, auch obwohl wir uns jetzt über Social Media schon lange folgen, aber noch gar nicht so gut kennen. Und so aber dann mehr, mit Leuten wieder in Austausch zu kommen.

Kübra Sekin [00:34:09]:

Ja, voll.

Mechthild [00:34:11]:

Das sind die sicheren Orte.

Community-Fürsorge und Empowerment

Kübra Sekin [00:34:14]:

Aber thematisierst du zum Beispiel auch diese Themen in deinen Workshops?

Mechthild [00:34:21]:

Ja, ich mache auch so, das ist ein bisschen Richtung Selbstfürsorge, Empowerment und Community. Ich weiß nicht, wann die Folge jetzt kommt, aber im Mai haben wir einen Workshop mit dem Verein Selbstbestimmt Leben in Köln, der findet im Herbst auch noch mal statt. Da geht es dann auch darum, wie wir als Menschen mit Behinderung für uns gut sorgen können, dann auch wieder gut im außen sein zu können und eben genau diese Arbeit zu machen oder auch die Verbindung mit anderen Menschen zu haben.

Neue Kontakte entstehen durch die Angebote

In meinen Gruppen kommen auch oft Menschen mit Behinderung zusammen und die tauschen sich dann auch nachher aus. Auch noch über meinen Yoga-Kurs letztes Jahr, da sind dann sogar Kontakte entstanden. Und der eine Kollege von mir kam sogar über unser Yoga zu unserer Arbeit bei Inklupreneur, weil ich ihm davon erzählt hatte. 

Kübra: 

Mega! 

Mechthild

Das finde ich halt auch so wichtig, diesen Austausch zu haben und auch Gruppen zu haben, wo wir eben zusammenkommen können und nicht nur vielleicht im Sport oder so, sondern eben auch alle möglichen, sei es im Theater, aber nicht nur auf professioneller Ebene, sondern im Freizeitbereich oder im Yoga-Kurs oder Meditationskurs.

Kübra Sekin [00:35:36]:

Ja, ich habe mir gerade vorgestellt, wie du so erzählst. Ja, und dann sind die Leute so zusammengekommen und dann haben sich sogar Leute gedatet. 

Mechthild [00:35:47]:

Ja, das könnte vielleicht auch passieren. Das ist bis jetzt noch nicht passiert, aber vielleicht.

Es gibt sowohl Kurse nur für behinderte Menschen, als auch inklusives Angebot

Kübra Sekin [00:35:53]:

Es kann alles passieren. Und machst du die Workshops für ausschließlich Behinderte als Safe Space?

Mechthild [00:36:02]:

Teils, teils. Also zum Beispiel dieser Workshop bei Selbstbestimmt Leben ist für Menschen mit Behinderung. Dann habe ich noch eine Gruppe beim inklusiven queeren Zentrum, die eigentlich in Berlin sitzen, aber die ist online. Das ist auch eine Gruppe für Menschen, die auch Mehrfach-Diskrimierung erfahren. 

Yoga kann auch langsam sein

Und der Yoga-Kurs in Köln ist eigentlich offen für alle Menschen. Aber ja, da ist zum Beispiel dann auch das Thema, dass dann mal die Yoga-Schüler sagen, ja, das ist so ein schöner, langsamer Kurs, wo ich das Gefühl habe, dass Leute vielleicht, die eher was Schnelleres suchen, dann nicht in meinen Kurs gehen. Obwohl ich mir denke, du bist doch einfach mal aus, weil es tut ja gut auf seinen Körper irgendwie langsam also zu achten oder länger zu halten Ich mache ja auch nicht nur Yoga-Körperübungen, sondern auch Meditationen und andere Übungen. Deswegen einfach mal ausprobieren.

Was noch nicht geteilt wurde

Mechthild [00:37:00]:

Hast du sonst noch irgendwas, was ich jetzt noch nicht gefragt habe, was du gerne noch teilen möchtest? Wir haben ja schon über viel geredet.

Literatur-Tipps

Kübra Sekin [00:37:07]:

Was möchte ich teilen? Ach Gott, mir fällt gerade nichts ein. Obwohl, vielleicht so Literatur-Tipps?

Mechthild [00:37:15]:

Ja, wenn du noch was hast. Ich kann es auch noch in die Show Notes dann schreiben, was du noch, oder in den Blogartikeln.

Kübra Sekin [00:37:21]:

Ja, also auf jeden Fall, wenn die ZuhörerInnen auf der Suche nach mehr Connection sind oder mehr Behindertenperspektiven sind, kann ich das Buch Angry Cripples euch total ans Herz legen. Hast du damit geschrieben?

Mechthild [00:37:38]:

Ich habe nicht mitgeschrieben, aber die Alina, die eine der Herausgeberinnen, war auch schon hier im Podcast.

Kübra Sekin [00:37:43]:

Ah ja.

Mechthild [00:37:43]:

Kann ich auch nochmal verlinken.

Kübra Sekin [00:37:46]:

Ich habe da auch tatsächlich so über mich geschrieben, ganz viel, was ich auch sonst nie erzählt habe. Oder auch das Buch Bist du behindert oder was? Auch ein sehr wertvolles Buch von Rebecca Maskos und Mareike Kaiser. Es geht hauptsächlich darum, wie ich Kindern Inklusion oder Behinderung erkläre. Diese beiden Bücher möchte ich euch gerne noch mitgeben, bevor ich dann gleich verabschiede.

Kübras Selbstfürsorge-Praxis

Mechthild [00:38:23]:

Ja, sehr schön. Ich habe immer noch meine letzte Frage, du hast schon so ein bisschen beantwortet, aber du kannst vielleicht noch mal so zwei, drei Sachen sagen, die für dich so deine, momentan deine Selbstfürsorgepraxis ist, was du gerade machst?

Routinen sind nicht so ihres

Kübra Sekin [00:38:36]:

Also meine Selbstfürsorgepraxis? Ich bin ein Mensch, dem es sehr schwer fällt, Rituale einzuhalten, Routinen einzuhalten. Entschuldigung, Routinen. Ich kann ganz schwer Routinen einhalten, aber umso schlechter es mir geht, umso besser schaffe ich es. Ich versuche zum Beispiel, meinen Morgen immer gleich zu starten, die Abläufe einzuhalten. Das gibt mir so eine gewisse Sicherheit für den Tag mit. 

Wahrnehmen, ob sie erschöpft ist

Ansonsten wirklich darauf zu schauen, bin ich gerade erschöpft? Brauche ich vielleicht eine Pause? Wie sieht mein Energiehaushalt gerade aus? Habe ich gerade Raum und Zeit, das gut für mich so auszuhandeln? Das gehört auf jeden Fall noch dazu. 

Nicht rauchen und nicht trinken 

Dann rauche ich seit einem Jahr nicht mehr und trinke seit einem Jahr auch kein Alkohol. Das gehört absolut auch dazu.

Kübra Sekin [00:39:42]:

Und sich das auch immer wieder so klar zu machen, warum ich das nicht mehr tue. Ja, das gehört auch dazu. 

Musik hören

Und viel Musik hören, habe ich schon immer getan. Also ich weiß nicht.

Mechthild [00:39:57]:

Ja, Musik höre ich auch total gerne, das hilft mir auch, was zu kommen aus dem Kopf.

Kübra Sekin [00:40:03]:

Ja, voll. Was ist das bei dir so?

Verschiedene Playlists mit guter Musik

Mechthild [00:40:06]:

Ja, ich höre alle möglichen Musik. Also ich habe verschiedene Playlists, die ich gerne höre, die auch entweder mit Erlebnissen zu tun haben, irgendwie von Gruppen, mit denen ich viel, also Gruppen, Menschen, die irgendwie die Playlists zusammen zusammengestellt haben. Da habe ich so zwei, drei von so Freunde-Gruppen, wo wir Playlists haben und die höre ich dann gerne oder meine eigenen Playlists oder auch was manchmal auch diese von Spotify, diesen Mix der Woche und Release Radar. Von den Bands, die ich gerne höre, dann wieder die neue Musik zu entdecken. Daraus stelle ich dann wieder die Songs, die ich gerne mag, stelle ich wieder meine eigenen Playlists zusammen und dann höre ich immer verschiedene. Und du, wie machst du das?

Kübra Sekin [00:40:52]:

Ich mache das auch so ähnlich. Ich höre auf jeden Fall montags meinen Mix der Woche.

Mechthild [00:40:57]:

Den habe ich auch heute schon gehört, weil wir heute ja Montag haben.

Gleichen Alben und gleichen Songs

Kübra Sekin [00:41:01]:

Aber ansonsten höre ich auch immer wieder die gleichen Alben, die gleichen Songs. Ihr habt diese Lieblingssongs Playlist, wo man so immer nur so auf dieses Plus drücken muss und da kommt so alles zusammen. Die höre ich sehr oft. Ansonsten habe ich jetzt letztens eine Wedding Playlist erstellt, weil Miri und ich dieses Jahr noch heiraten. Und genau, das hat auch Spaß gemacht. Aber es ist auch voll tricky, herauszufinden, welche Songs gefallen wirklich nur mir und zu welchen Songs gehen die Leute ab. Das ist wirklich ein bisschen tricky. Naja.

Gute Musik auf ihrer Hochzeit

Mechthild [00:41:49]:

Also, Das kannst du dir noch austesten die nächsten Monate, bis es so weit ist.

Kübra Sekin [00:41:54]:

Ja, und mein Geschwister ist ja auch DJ.

Mechthild [00:41:57]:

Ah ja, okay.

Kübra Sekin [00:41:58]:

Und Nuri wird dann auf jeden Fall auch auflegen. Cool. Und will sowieso die Hütte zum Beben bringen, also ich mache mir da nicht so viel Stress

Mechthild [00:42:08]:

Das klingt gut. Sind ja dann auch schöne Aussichten. Also das auch noch ein schöner Event dieses Jahr

Kübra Sekin [00:42:15]:

Ja also das Event wird erst nächstes Jahr sein.

Mechthild [00:42:19]:

Die Hochzeit ist nächstes Jahr, dieses Jahr heiraten.

Kübra Sekin [00:42:21]:

Genau, dieses Jahr Standesamtlich

Abschluss der Folge

Mechthild [00:42:24]:

Auch schön. Gut, vielen Dank, Kübra, für deine Zeit und für den ganzen Austausch. 

Kübra Sekin [00:42:32]:

Sehr gerne, danke für die Einladung und für das ganz nette Gespräch.

Mechthild [00:42:36]:

Ja, fand ich auch. Und dann schreibt uns gerne, wie ihr die Folge fandet, was ihr mitgenommen habt für euch. Und dann bis zum nächsten Mal. Tschüss. Ciao!

Schreibe einen Kommentar